Montag, 3. Mai 2021

Ich stehe an der steilen Klippe und schaue in die bodenlose Tiefe. Dort untern sind meine Träume an den Klippen der Realität zerschellt. Jetzt liegen sie bestimmt dort in abertausend Teilen und werden von den heranrollenden, tosenden Wellen zerstreut. Zwischen den Gezeiten der See werden die Scherben sicherlich immer kleiner gerieben, bis es sie irgendwann nicht mehr gibt. Ich schaue meinen Traumfetzen wehmütig hinterher, ich würde sie so gerne noch einmal in den Händen halten. Aber meinem Blick schlägt nur ein tiefschwarzer Abgrund entgegen. Ich wanke, es bläst ein eisiger und stürmischer Wind. Er heult so laut um meine Ohren, dass meine eigenen Schluchzer untergehen. Auch wenn ich weiß, dass mich niemand hört, kann ich dennoch nicht aufhören, bitterlich zu weinen. Meine Nase ist längst wund, meine Augen geschwollen. Und während ich so an diesem Lebensabgrund stehe, wird es um mich herum immer dunkler. Ich überlege, ob jemanden auffällt, wenn ich springe. Und was sie dann sagen würden. Was du denken und fühlen würdest, wenn dir die Leute mitteilen, dass meine Trauer mir zum Verhängnis geworden ist. Dass die Nacht mich verschluckt und nicht wieder ausgespuckt hat. Dass meine zerbrochenen Träume mein Herz so kaputt gemacht haben, dass es nicht mehr weiterschlagen wollte. Während ich noch darüber nachdenke, kenne ich eigentlich schon die Antwort. Du würdest es nicht glauben. In deinen Augen zerbricht man nicht an dem Verlust eines Menschen, man macht einfach weiter. Man findet sich selbst wieder, beißt sich durch und wird glücklich. Man lebt die Selbstliebe und spürt pure Erfüllung in seinem eigenem Dasein. Man ist sich einfach selbst genug. Denn so sollte es ja sein.

Deine Welt ist so anders als meine. Aber deine Welt ist immerhin auch nicht ein einziger Scherbenhaufen.

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