Dienstag, 23. Juni 2015

"Hier, für dich war heute ein Brief in der Post!", ruft meine Schwester mit dem Umschlag wedelnd in der Hand, während sie die Küche betritt. Zuerst starre ich das rechteckige Ding in ihrer Hand skeptisch und ahnungslos an, da ich eigentlich nichts dergleichen erwartet hätte, bis es mir plötzlich dämmert. Das Muster und die Schwere des Papiers sowie die krakelige Handschrift weisen ganz klar auf nur einen Absender: Mich selbst.
Das gute Briefstück ist nicht mehr, als ein paar Worte, die den letzten Stunden der Orientierungstage zuweilen der 11. Klasse entronnen waren. Wir konnten es wie es uns beliebte gestalten und füllen, mit Wünschen, Motivationen, Erinnerungen...schlichtweg jeder Menge Gedanken. Kaum halte ich den vom Regen leicht feuchten Umschlag in der Hand, blitzen auch schon die Zeilen vor meinem Auge auf, die ich damals schrieb. 

"Dear Minnie,
wenn du diesen Brief erhältst, liegen die Orientierungstage der Q2 schon lange hinter dir, sowie auch die Aufwendigkeiten des Lernens für das Abitur. Ich hoffe sehr, dass auch all die Zukunftszweifel Teil der Vergangenheit geworden sind und dein Platz in der Welt endlich fest gefunden und eingenommen worden ist. 
Zwischen Erfolg und Stress hoffe ich, dass du Minnie, ein unabdingbarer Teil von mir, an deinen Träumen festhalten konntest und kannst, dass das Leben sich nur zum Besseren gewendet hat.
Zudem bete ich für das Fortbestehen meines, deines jetzigen Fixpunktes. Ein Mensch, der wichtiger nicht sein könnte, trotz all der Schwierigkeiten. (...) Ich liebe ihn, weil er mich erst zu dir gemacht hat, der ich jetzt bin (...)"

23. Juli 2014

Unliebsame Tränen sammeln sich vor meinem Blickfeld, die Welt verschwimmt vor meinen Augen. Bis ich hektisch mit dem Blatt Papier vor meinem Gesicht Luft umher fächere, in der Hoffnung, nicht mit diesen Worten unterzugehen. Damals war alles so schön, das Leben so leicht. Ich hatte so viel Zuversicht auf uns und das was kommen sollte, zu viel. Und jetzt, nicht mal ein Jahr nach all den Zeilen ist nichts mehr, wie es war. Mein Alltag ist grau und vollgepackt mit genug Beschäftigung, damit du kein Begriff mehr in meinem Kopf bist. Dich gibt es hier an diesem Ort nicht mehr so wie du mal warst.
Scheiß Brief. Scheiß Karma. Mal wieder.

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