Sonntag, 28. Juni 2015

Mein bester Freund sieht mich ernst und sorgenvoll an, während wir uns draußen etwas abseits des Abiball-Geschehens auf ein paar Steinblöcken niederlassen. "Bitte sag mir nicht, dass er dir erzählt hat, was er für mich empfindet", flehe ich ihn unruhig an. Aber er kann nur traurig den Kopf schütteln. "Doch, er hat genau das getan...und darüber müssen wir reden", antwortet der sonst so sarkastische, fröhliche Mensch, der mir mit am nächsten steht. "Ach, er empfindet einfach nichts, er hat eine Freundin- alles alles geklärt!", rattere ich aufgeregt herunter und lasse meine Augen hektisch durch die Dunkelheit springen. Doch mein bester Freund schüttelt abermals den Kopf.
"Er hat mir gestanden, dass er sich in dich verliebt hat. Gleichzeitig liebt er aber auch seine Freundin oder zumindest hat er nicht den Arsch in der Hose, Schluss zu machen. Und zudem hat er vor, dich zu küssen", offenbart er mir die ganze Wahrheit. Ich schrecke auf, werde immer hektischer. Das darf nicht sein. Stockend suche ich nach Worten:"Aber...aber...das...geht nicht. Solange er mit ihr zusammen ist, will ich sowas überhaupt nicht wissen. Außerdem weiß er scheinbar nicht mal, was Liebe bedeutet!" Wieder ernte ich mitfühlende Blicke. "Ich hab ihm das genauso so gesagt. Dass er sein Leben und seine Beziehung in den Griff bekommen soll oder die Situation eben klären muss. Bevor er nicht Schluss gemacht hat, sollte er sich von dir fern halten. Also versprich mir, dass du dich auch auf nichts einlässt?" - "Natürlich würde ich niemals noch weiter auf ihn eingehen. Ich will selber nicht, dass ich nur eine simple Affäre bin. Aber ich verstehe mich so gut mit ihm- und das macht jetzt irgendwie endgültig alles kaputt."
Schließlich gehen wir beide wieder in den großen Festsaal und gesellen uns zu den anderen feierwütigen Abiturienten auf der Tanzfläche.

*
Unzählige Drinks und Zigaretten später stehen wir an der Theke im allzu belieben Club dieser Kleinstadt. Unser Abiball fand recht abrupt ein jähes Ende, während uns die frühe Uhrzeit jedoch zum Weiterziehen und -feiern veranlasst hatte. Dementsprechend empfangen uns nun andere wummernde Beats und ein Ambiente, das nicht sonderlich kompatibel mit unserem Kleidungsstil war. Doch der Alkohol rauscht schon ungehemmt durch meine Adern und enthemmt meinen sonst so vernünftigen Kopf. Und da steht er, direkt vor mir, in diesem unglaublich scharfen Anzug, diesem raffinierten Hemd in Kombination mit einer schwarzen Fliege. Seine sind Haare wie immer perfekt hochgestylt, während nur ein seine Lippen umspielendes Grinsen ein wenig von seinen Gedanken Preis gibt. Er sieht mich an, mit diesen verdammten braunen Augen. Plötzlich ist mir egal, was ich versprochen habe, ich ignoriere die Umstände, unser Schlamassel und höre auf, nur mit ihm zu spielen. Ich trete näher an ihn heran und lege meine Hände um seinen Nacken, gleichzeitig kichere ich verlegen vor mich hin. Und dann küssen wir uns. Immer wieder. Aber noch im selben Moment weiß ich, dass das alles war. 


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