Montag, 29. April 2013

#121

Could you be happy, Sarah?


"Kannst du glücklich sein?" Verdutzt schaue ich in die aufmerksamen Augen, die mir direkt gegenüber an dem weißen, sterlien Tisch entgegenblicken. Zuerst weiß ich nicht, was ich antworten soll. Kann ich glücklich sein? Ja, bestimmt. Also setze ich, immer noch ängstlich aufgregt zu einem "Schon" an. Leider war die Antwort wohl zu unsicher und während mein Hausarzt mich ruhig weiter anschaut, als könne er so irgendwann, irgendwie meine Seele ergründen, beginnt meine Mutter ihre Gelassenheit zu verlieren...glaube ich. "Ich muss dich das fragen, Sarah. Weil, wie du vielleicht weißt- es gibt Menschen, die können es nicht. Zwischen Burnout und Depression mit psychosomatischen Krankheitsbildern straucheln sie durch ihren Alltag...Also, kannst du glücklich sein? Bestimmt, oder?" Seine Stimme klingt so warm und sanft, so ehrlich, dass ich ihm am liebsten alles ausschütten würde. Alles. Aber ich nicke nur und bestätigte matt, dass ich glücklich sein kann, während meine Hände unruhig auf meinen Schenkeln zappeln und krampfen.
"So...ich tippe auf eine Störung deines vegetativen Nervensystems. Immerhin hast du in der letzten Zeit viel Stress gehabt, zu wenig Schlaf- und ein hoher Belastungsgrad kann irgendwann zu so etwas führen. Ich habe dir schon letztens Tabletten zur Beruhigung verschrieben, die solltest du auch wirklich nehmen. Und wenn es nicht besser wird, dann sehen wir uns noch einmal. Am besten in 10 Tagen, okay? Wenn sich bis dahin nichts geändert hat, würde ich dir eine Psychotherapie vorschlagen." Ich spüre, wie nun gänzlich alle Gelassenheit von meiner Mutter weicht, die Luft füllt sich mit Spannung und ist zum zerreißen. Aber sie ist still, will Fassaden aufrecht halten.Und ich, ich selbst weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll- denn irgendwie war das gerade doch die Bestätigung, psychisch überlastet zu sein, krank zu sein- und Hilfe zu benötigen, Hilfe annehmen zu dürfen. Wäre da nicht meine Mutter.

Nachdem auch die letzten, abschließenden Untersuchungen beendet sind, sitze ich neben meine Mutter ins Auto gequetscht und warte darauf, dass wir nach Hause fahren. Ihr Mann, der sich gerade beim Toastbrot kaufen Zeit lässt, hat meinen kleinen Bruder bei uns sitzen lassen- aber wenn stört das. Er versteht ohnehin nichts, als meine Mutter ein Gespräch anfängt.

"Weißt du, der Arzt hat indirekt darauf hingewiesen, dass  w i r  beide Probleme miteinander hätten!" Ich schaue sie an und antworte: " Ja, ich habe es mitbekommen. Aber so ist das nicht. Und das wissen wir auch. Wir kennen das Übel." - " Ja, aber ich bin wieder der Sündenbock für deine Strapazen, ich. Ganz allein ich werde gedanklich von anderen jetzt angeprangert. Die denken alle, dir geht es wegen mir schlecht, weißt du, wie sich das anfühlt?" Ich schaue sie verständnislos an. Geht es hier gerade um Schuld? Schuld, die sie nicht trägt, aber über die sie sich aufregt. Schuld, die auf anderen lasten sollte, sie aber nicht in Ruhe lässt. Schuld, ja Schuld, die sie mir mit ihren stechenden Augen zuschieben will. Wie immer.
Aber ich weiß selber, dass niemand was für meinen beschissenen Körper kann, der aufgrund des Psychoterrors mal eben streikt. Ich bin selber Schuld. Aber sicher.

1 Kommentar:

  1. Vielleicht ist ja gar keiner wirklich schuld. Vielleicht ist es einfach so.

    Lg, Lena ♥

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