#93

Something is missing, isn't it?

Das brühheiße Wasser rinnt über meine kühlen, blassen Finger, benetzt meine Handinnenflächen und -rücken. Für einen klitze kleinen, winzigen Augenblick spüre ich wohltuhende Wärme in meine Gliederspitzen strömen, eine fehlende Wärme, die ich so vermisst und gebraucht habe. Doch dann wird es schnell zu heiß, meine fast taub gewesenen Finger sind wieder voll gefühlsfähig und durch meine Nerven fließt nur ein Signal: SCHMERZ.
Normale Menschen hätten sich eilig von dem Wasserstrom aus dem Hahn verabschiedet, hätten die Hände weggenommen und vorbildlich abgetrocknet- aber manchmal fällt es schwer, nur nach den Normen und Richtlinien der Gesellschaft zu leben...also wieso jetzt nicht einmal aus der Reihe tanzen, wenn es keiner durch verschlossene Türen sehen kann?
Der Schmerz, die überflüssige Wärme- und diese Kälte in mir selbst. Eine Kombination, die mich fast zum staunen bringt, weil sie mir Genugtuung und ein merkwürdiges Lächeln schenkt. Begeistert reize ich meine Finger weiter, lasse nicht von dem heißen Wasser ab, egal wie sehr der Schmerz auch in meinen Händen pocht. Nachgeben -wozu?
"Um dir nichts zu verbrennen." So heiß ist es nun auch wieder nicht-oder doch?
"Es ist krank."  Wie kann etwas krank sein, was gut tut?
"Weil du krank bist." Wieso bin ich krank, wenn ich mir etwas Gutes tue?
" Das, was du für gut befindest, ist nicht normal. Schmerz genießen ist nicht normal." Aber es ist so ein warmes, behagliches, vertrautes Gefühl, dieses heiße Wasser. Und so sehr tut es nicht weh. Nur ein bisschen.
"Es genügt jedoch, um dich zufrieden zu stellen, deine Gier nach...was auch immer zu stillen. Wer bist du, ich kenne dich nicht?" Ich will nur warm sein, ich will keine Kälte mehr empfinden. Diese kühle Leere in meinem Körper, die sich über alle Gedanken stülpt, ist grausamer als jeder Schmerz, den man je fühlen könnte. Es ist...ein Wunsch. Ein Wunsch nach Wärme- auch wenn ich selbst nicht weiß, wer ich bin, weiß ich doch das.
" Du willst nur Wärme? Willst du nicht viel lieber ein Pflaster für das, was andere Menschen und du selbst verletzt hast? Geborgenheit, Liebe, Aufmerksamkeit, Interesse... sind das nicht die eigentlichen 'Güter', die du dir ersehnst?
Wie als würde mein Verstand eine manifestierte Persönlichkeit sein, nicke ich etwas unsicher meinem Spiegelbild zu, sage 'Ja' und versuche, das Gespräch in mir abzuschütteln, die Gedanken zu vergessen.
Aber es wird immer diese zwei Seiten geben, die eine unterschiedliche Auffassungsgabe haben, ein vollkommen anderes Weltbild sehen und somit nicht auf die selbe Weise verstehen.
Da gibt es einen rationalen Teil- und den, der sich von leeren Emotionen leiten lässt- leer deswegen, weil der vollkomme Teil fehlt, das Schöne, das Perfekte, das wirklich Gute und Glück bringende. Da ist nur Traurigkeit,  nicht enden wollende Melancholie, ein See von Depressionen, Selbstzweifel, kurzum- viel zu viel. Und keine Liebe. Für niemanden. Nur Kälte.

Versteht ihr jetzt, wieso ich das brühheiße Wasser genieße?