Raining.
Müde lasse ich meinen Kopf gegen die kühle Busfensterscheibe sinken, verkrieche mich fast in meinem Sitz und lasse mich von der Musik in meinen Ohren endlich in eine andere, bessere Welt ziehen, nachdem ich den langen Tag fast hinter mich gebracht habe. Keine Bilder mehr- und keine Gedanken. Einfach nur der Klang, der laut und doch so still ist.
Als ich die Augen träge wieder öffne, rinnen Regentropfen an der Scheibe hinab, der Bus ist bedeutend leerer geworden und eine Ruhe liegt über jedem Mitfahrer. Scheue Blicke springen durch den Bus, verflüchtigen sich, sobald sie doch einmal aufgefangen werden. Kein Blickkontakt- niemals. Hier ist jeder für sich.
Die Minuten verstreichen und fast schon all zu schnell erreiche ich meine Haltestelle und verlasse wie in Trance den Bus, auf dem Heimweg begleitend ist nichts als tropfender Regen. Die nasse, graue Straße fliegt unter meinen Füßen vorbei, die durch den Regen aufgefrischten Farben nehme ich war. Kein intensives Rot der Steine, kein strahlendes Grün. Meine Wahrnehmung verschwimmt mit den dunkelgrauen Wolken, die sich um meine Gedanken hüllen. Sie hängen so tief und durchdringend in mir, wie auch am Himmel.
Noch während ich unsere Haustür aufschließe, habe ich die dunkle Vorahnung, dass mein hungriger Magen auf das gute Essen verzichten muss, was meine allgemein schlechte Laune noch mehr drückt. Langsam ziehe ich meine Schuhe aus, streife meine feuchte Jacke ab und hänge sie auf den Kleiderständer, um endlich in die Küche zu gehen.
Meine Augen schweifen über die Töpfe, erkennen die leere Pfanne- und obgleich ich weiß, dass hier nun meine Selbstständigkeit gefragt wäre, kann ich mich nicht dazu durchringen, mir selbst Rührei zu braten und die Kartoffeln und den Spinat aufzuwärmen. Geschafft schlage ich den Weg in unsere Wohnstube ein, von woher ich die Stimme meines Halbbruders vernehme. Mit dem Öffnen der Tür wird mir jedoch viel zu schnell klar, dass ich auch hier nicht das erwünschte Bild vorfinden werde: Keine Mama. Niemand, der mir Essen machen will. Ohne noch weiter auf eine Konversation aus zu sein schlurfe ich nach unten und setze mich hinter das Klavier, um für meinen bevorstehenen Unterricht noch etwas zu üben.
*
Nachdem ich meine Sachen zusammengesucht und gepackt habe, laufe ich die Stufen hoch. Vollkommen demotiviert trete ich in die Küche ein, ergreife mir einen Teller und etwas Brot und setze mich damit in das anschließende Esszimmer. Mein Magen hört dankbar auf zu knurren, noch während ich die ersten Bissen hinunterschlucke... Noch ein Biss, und noch ein Biss, und noch ein Biss. Zahn auf Zahn, Magen füllen, Hunger stillen.
Mit gesenktem Blick verstaue ich meinen Teller schließlich in der Spülmaschine und wage es vor Augen des Mannes meiner Mutter mir eine Schüssel Müsli anzufertigen- der letzte Rest, den er zum Überkochen braucht. " Was soll denn das? Kannst du nicht etwas Vernünftiges essen?", blufft er mich von der Seite an. Erschrocken schaue ich ihm ins Gesicht, erkenne seine vor Wut verzerrten Züge und versuche ausweichend zu antworten: "Ich habe doch davor Brot gegessen..." - " Brot, Brot!?! Es gab Spinat und Kartoffeln!" Ich nicke. "Ja, ja, aber ich esse das nur mit Rührei und..."- " Weil keines mehr da war, hast du es sein gelassen? Das gibt es doch nicht, kann man so faul sein? Zu Faul für's FRESSEN? Ich schmeiße immer, immer alles weg. Aber damit das klar ist, Morgen..." - " Ich wollte fragen, ob du mich zu meiner Klavierstunde fährst", unterbreche ich ihn ungeniert, da mir seine ständigen Vorwürfe nur schon all zu bekannt sind. Doch der Mann meiner Mutter fährt unbeirrt weiter. "...Morgen koche ich nur für Aaron, Mama und mich. Ich werfe nicht andauernd etwas weg, nein. Das hört auf! ... zu faul für's fressen, ich glaub es nicht..." Immer weiter schimpft er vor sich hin und mit bleibt nichts anderes übrig, als mich zu Fuß auf den Weg zu machen.
Geschafft öffne ich die schwere Haustür und schon schlägt mir die Kälte und die Nässe entgegen.
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