Montag, 18. September 2017

Liebe Mama. Lieber Papa. 

Ich bin ehrlich, ich finde keinen poetischen Anfang für diesen Brief. Mir fehlen sonst nie die Worte, ich rede immer wie ein Wasserfall, trage mein Herz auf der Zunge.  Doch diesmal bin ich seltsam sprachlos. Vielleicht, weil es immer ein Tabuthema war, über meine Perspektive zu sprechen. Weil es möglicherweise dabei nie um mich ging. Ich habe meine Emotionen tief verschlossen, Zurückhaltung hieß meine Strategie. Es würde sich alles schon irgendwie beruhigen, wenn ich nicht weiter Öl in die Flammen eurer gescheiterten Beziehung gießen würde. Ich habe versucht die Balance zwischen euren Kämpfen zu halten, jedem die Tochter zu sein, die gebraucht wurde. Wandelbar und leichtfüßig schien ich zu sein, und ich war so stolz darauf. Denn irgendwie habe ich es immer gemeistert, Eskalationen einzudämpfen, zu vermitteln und am Ende doch noch lieb gehabt zu werden. 
Aber ich war zu naiv, zu gutgläubig, zu hoffnungsvoll. 
Selbst nach mehr als einer Dekade zückt ihr immer noch eure Schwerter, schmettert Wortdolche durchs Feld, ohne euch wirklich direkt zu konfrontieren. Irgendwo werden sie landen, irgendwen werden sie schon treffen. Dass dabei eure Kinder eure Unausstehlichkeit aufgebürdet bekommen, dass wir im Endeffekt immer zwischen euch stehen werden, das ist euch nie klar geworden. Man könnte sich doch so einfach entscheiden! Und schließlich sind wir, ja allen voran ich, sowieso erwachsen. Da muss man zu allem die richtige Meinung haben. Und wir wissen doch, wer uns am meisten unterstützt. Wer immer für uns da ist. Oder?

Ihr macht es euch so leicht. Und uns so schwer.

Ich will nicht lügen und behaupten, ich hätte keine schöne Kindheit und Jugend gehabt. Aber zwischen euch zu stehen, hat mir viel zu früh meine Kindlichkeit genommen. Ich musste eine starke Persönlichkeit sein, die euch beiden die Stirn bieten musste. Nicht immer wusste ich damit umzugehen, manchmal habe ich auch einfach versucht, nur das Beste für mich rauszuschlagen. Allerdings lernte ich schnell, um wen es hinter all den Vordergründigkeiten wirklich ging. Sicher waren wir eure Aufhänger, waren und sind wir doch das Produkt eurer Zweisamkeit. Vermutlich war es nicht immer leicht, uns in die Augen zu sehen, ohne dabei an die Verfehlungen der oder des Anderen erinnert zu werden. Wir waren nicht nur das Ergebnis, wir waren auch das Überbleibsel eurer Beziehung. Wie geht man damit um? Es gibt sicher kein Patentrezept und Fehler sind menschlich. Ihr wart und seid verletzt, eure heißen Emotionen nicht zu leugnen. Aber um was geht es euch denn wirklich?

Stolz der Gefallenen. Ohnmächtigkeit der Schwachen.

Es wurde schon viel und oft scharf geschossen. Natürlich für uns, denn für seine Kinder wird man zum Bären. Oder zur Löwin. Doch hätten wir wirklich zwei aggressive Wildtiere gebraucht, um beschützt zu werden? Hat all das ohrenbetäubende Gebrüll und bitterböse Geknurre wirklich etwas verändert? Steht ihr euch nicht immer noch mit gefletschten Reißzähnen gegenüber, die scharfen Klauen zum nächsten Schlag gehoben? Wie weit seid ihr nach all den Jahren gekommen? Und wo wollt ihr noch hin? Der eine kommt nicht drüber hinweg, die andere weiß sich nicht zu wehren. Ihr dreht euch im Karussell eurer Vergangenheit und zieht uns mit. 

Einmal bitte anhalten.

Seid ihr jemals aufrichtig in euch gegangen und seid euch nach euer Trennung einmal ehrlich begegnet? Drückt doch einfach mal die Stopp Taste und seht euch um, was ihr im Leben verpassen werdet, durch so viel Wut und blindem Hass. Ihr würdet es nicht mal gemeinsam auf der Hochzeit einer eurer Töchter aushalten, könntet euren Schatten nicht überwinden. Der innere Schweinehund kläfft zu sehr. Traurig, aber wahr. 

Und nun?

Um ehrlich zu sein, ich will nicht wissen ob und wie ihr miteinander auskommt. Aber ich habe es satt, euch wie zwei wild gewordene Hunde an der Leine unter Kontrolle und voneinander fern halten zu müssen. Ich habe es satt, immer die Vernünftigste von allen zu sein und dabei nie ich selbst sein zu dürfen. Ich habe es satt, zwischen euch zu stehen, eure Triaden  abfangen zu müssen und das Gleichgewicht halten zu müssen. Ich habe es satt, euer Scheidungskind zu sein.

Ich will einfach nur eure Tochter sein.

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