Die Tatsache klatscht mir ins Gesicht, noch bevor ich es begreife. Widerlich triefende Buchstaben, die mich in Reihenfolge anspringen und nacheinander einen zerstörenden Sinn ergeben. Sie fressen sich in meine Gedanken, halten mich im Würgegriff und reißen mich abermals aus der Bahn. Das, was ich schon längst ahnte, ist nun klare Bewusstheit.
*
Es ist Freitagmorgen, als mein bester Kumpel und ich wie einst am Gleis des Bahnhofes stehen, um auf meinen Zug zu warten. Währenddessen plaudern wir mehr oder weniger angeregt, wenngleich ich rauche und mir vor Müdigkeit fast die Augen zufallen. Unsere Kneipentour fiel länger aus als geplant, endete aber immerhin zuvor mit einem netten Frühstück bei Pappert. Warmer Milchkaffee und ein belegtes Brötchen hatten schlussendlich dafür gesorgt, dass wir nun erfolgreich auf dem Heimweg waren.
Zwischen den paar Zugreisenden nähert sich plötzlich eine bekannte Gestalt. Die schokobraunen, kurz geschnittenen Haare hätten noch nichts verraten, wenn ich seine Statur und seinen Kleidungsstil nicht noch so gut verinnerlicht hätte. Und als er sich schließlich auf dem Treppenabsatz umdreht, ist es schmerzende Gewissheit. Du bist es. Mein Herzensbrecher.
Abrupt wende ich mich zur anderen Seite, starre in entgegengesetzte Richtung und versuche, die leicht aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. "Ehm...ist er das gewesen?", durchbricht mein Allerbester die eisige Stille. Ich nicke, geschockt und wehmütig zugleich. Warum du? Warum jetzt? Nachdem ich weiß, dass dir das mit der neuen Freundin so gar nicht schwer fiel, habe ich mir geschworen, dir nie wieder in die Augen sehen zu wollen. Und jetzt stehst du kurz nach meinem erbärmlichen Versuch, die Gedanken um dich mit Apfelwein zu ertränken, plötzlich vor demselben Zug. Wie konnte ich nur so doof sein, aufgrund meiner schulischen Abstinenz nach den Abiturprüfungen zu vergessen, dass du an einem normalen Freitag Schule hast und tatsächlich dasselbe Verkehrsmittel nutzen könntest? Innerlich geißele ich mich selbst, prangere meine Dummheit an. "Hey, dass dir das entgangen ist, ist eigentlich ein gutes Zeichen!", muntert mich der Mensch auf, der nach dir jemand geworden ist, auf den ich mich fast immer verlassen konnte. Auch diesmal erkennt er meine Angststarre der nicht durchdachten Situation und bemerkt meinen gequälten Gesichtsausdruck.
"Ich steige einfach ganz hinten ein, dann muss ich nicht an ihm vorbeilaufen",würge ich abgehackt hervor.
"Alles klar",erwidert er, "ich rufe dich dann gleich an, damit du nicht einschläfst." Zwinkernd verabschiedet er mich, während ich mir ein Lächeln auf die Lippen zwinge und schließlich in meinem persönlichen Morgendrama verschwinde.
Scheiß Schicksal, scheiß Karma.
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