Sonntag, 26. April 2015

"Hast du Lust, Trampolin zu springen?" Ich schaue ihn unentschlossen an, zucke willenlos die Schultern. "Vielleicht, also, mir egal." Er schaut mich mit einem Augendrehen an und beginnt zu grinsen. "Typisch Mädchen, ihr wisst nie, was ihr wollt!" Kichernd pflichte ich ihm bei und füge augenzwinkernd hinzu: "Naja, ich würde schon gerne mit dir springen. Aber mein Bus fährt ja gleich. " Plötzlich kommt er mir gefährlich nahe, grinst mich schelmisch an und baut sich drohend vor mir auf. "Meinst du im Ernst, dass du so schnell hier wegkommst? Dass ich dich gehen lasse?", fragt er mich herausfordernd. Da mich diese bestimmte Art unglaublich anzieht, provoziere ich sie umso mehr. "Wenn ich gehen will, kann ich das jederzeit tun. Und öffentliche Verkehrsmittel warten nun mal nicht." Gespielt greife ich nach meiner Handtasche, umkreise ihn schnellen Schrittes und bin schon kurz vor der Tür, als er mich auf einmal packt und hochhebt. Zappelnd wie lachend kämpfe ich gegen seinen festen Griff, der mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat. "Lass mich los!", rufe ich, während er köstlich amüsiert versucht meine schwache Gegenwehr unter Kontrolle zu bekommen. Dann setzt er mich schließlich doch ab, schaut mich mit diesem 1000 Watt Lächeln an, das alle Welt erstrahlen lässt, und sagt ruhig: "Ich lass dich runter, aber nicht gehen. Sonst nehme ich dich noch mal hoch!" Geschlagen nicke ich und stimme ihm bei, dann machen wir uns auf, um tatsächlich Trampolin Springen zu gehen.
Ein bisschen ängstlich hüpfe ich in einer von ihm geliehenen Sportjacke herum, merke wie lange solche unbeschwerten Aktivitäten hinter mir liegen und wie wenig Mut ich von selbst dafür aufgebracht hätte. Aber ich weiß, dass er da ist, dass er mich fängt wenn ich falle. Und so lösen sich meine Anspannungen einfach in Luft auf. Alsbald gesellt sich seine kleine Schwester zu uns, stimmt in das fröhliche Gespringe mit ein und beginnt, ihn zu ärgern. Die geschwisterlichen Rivalitäten haben geradezu filmreifen Charakter, die unbewusste Abstimmung der beiden ist für jedermann unübersehbar.  Und so schließe ich mich schließlich den Neckereien an, beginne gemeinsam mit der Kleinen, ihn zu kitzeln und in Beschlag zu nehmen. Wir wällern uns auf dem Trampolin umher, verknoten uns auf dem schwarzen Sprungnetz in- und übereinander. Immer wieder drückt er mich auf den festen Stoff, fixiert meine Arme, dabei die rechte Hand mit besonderer Vorsicht in Hinblick auf meine Verletzung, die linke umso härter. Sein herausfordernder, schelmischer, bestimmter Blick ruht minutenlang auf meinem Gesicht, während ich seinen strahlend blauen Augen stumm standhalte, bis ich mich abermals aus seinem Griff befreie und wir ihn erneut attackieren.
Trotz der Anwesenheit seiner kleinen Schwester habe ich das Gefühl, dass es ihm plötzlich leicht fällt, mir nahe zu sein, dass er sich nicht zu diesem neuen Mut zwingen muss. Es ist natürlich und frei, wie wir uns bewegen, anschauen und immer wieder festhalten und kitzeln, bis einem beinahe der Atem ausgeht.  Aber auch dieser Moment ist nicht für die Ewigkeit.

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