Es ist kurz nach Eins, als ich mucksmäuschenstill den Flur entlang und die Treppe runtertapse. Während in allen anderen Zimmer das Licht gelöscht wurde und der Schlaf seinen Einzug fand, habe ich mich solange auf den Beinen gehalten und mit Comedy-Shows über den Abend getröstet, dass es nicht viele Worte seinerseits gebraucht hatte, um mich auf ein nächtliches Treffen einzulassen.
Als ich die Klinke der schweren Haustür runterdrücke, sehe ich schon seine große, vom Handydisplay erhellte Gestalt. Lächelnd begrüße ich ihn und führe ihn genauso leise in mein Zimmer, wie ich hinuntergegangen war.
Nachdem er sich seiner Jacke und Schuhe entledigt hat, setzt er sich neben mich auf das große rot bezogene Bett und wir beginnen uns über die letzten Sendeminuten von Kaya Yanar zu amüsieren, bis die nachfolgende Programme unsere Unterhaltung stören. Dann schalte ich den kaputten Fernseher aus und wir sehen uns endlich in die Augen. Aber hinter seiner schelmhaften Maske steckt auch heute nicht mehr als der Wunsch nach Spaß- und ich rede mir ein, dass es genau das ist, was ich will. Vergnügung- Ablenkung.
Tatsächlich ist unser Gespräch großartig, unser ironischer Wortwechsel köstlich erheiternd und locker. Er fände es gerade so schön, obwohl er sich nicht erklären könnte, wieso er gerade hier bei mir sei, mitten in der Nacht. Er hätte nicht mal irgendwelche Hintergedanken gehabt.
Ich schüttele lachend den Kopf, ich kenne ihn besser. Er ist der gnadenlose Charmeur, der eine Unzahl von Bettkerben auf sich verbucht, ohne je irgendwie darüber nachgedacht zu haben. Er ist der, der nie mehr will, sondern nur ein bisschen Befriedigung und Spaß. Und ich bin die, die sich plötzlich doch von seinem Mund auf meinem mitreißen lässt, nachdem er die unromantischsten und doch lustigsten Anspielungen über seine Lippen brachte.
Während er mich küsst, spüre ich irgendwie ein bisschen von seiner Lebenslust in mir, so als würde er seine Energie mit mir teilen. Und ich weiß, dass es genau der Grund ist, weswegen ich das alles mitmache. Er mag nicht ehrlich sein, nicht der Richtige für ein eigentlich so ernstes, verantwortungsbewusstes Mädchen. Er ist viel zu offen und bindungsunfähig, als dass man sich irgendetwas versprechen könnte. Doch trotz alle dem ist er zu der späten Stunde meine Aufheiterung, mein kleines Mittel zum vergessen. Ich muss nicht mehr ich sein, ich kann meine Vergangenheit totschweigen. Denn seine Küsse schalten meinen Kopf aus, seine streichelnden Hände locken mich fordernd von mir selbst weg. Und das ist besser so, selbst wenn ich dieses Spiel als Verlierer und mit gebrochenem Herzen verlassen muss. Denn ich weiß, was ich von ihm zu halten habe...und ich weiß, dass er niemals so sein wird wie du, dass er mir niemals so viel bedeuten und mich dermaßen zerstören kann. Ihn werde ich verkraften.
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