Freitag, 16. Januar 2015

Was kann man noch gewinnen, wenn man bereits alles verloren hat?

Leer und kalt starrt mir mein Leben entgegen. Es sitzt schon im Zug Richtung "Weitermachen" mit der Umsteigeoption "Nur Überleben" und wartet darauf, dass ich endlich aufsteige und mich wieder mitschleifen lasse, wie wertloses Reisegepäck. Ich müsste nicht mal groß Anstalten machen, es würde alles für mich regeln. Ich müsste gar nichts entscheiden, der Zug fährt von alleine. Und mit meinen schwindendem Gewicht ist auch das Umsteigen keine große Sache mehr. 
Aber ich habe das Gefühl, als hätte ich das Laufen verlernt und gleichzeitig meine Sprache verloren und so sitze ich stumm an diesem Bahnsteig auf Zeit und hoffe, dass mich wenigstens der Wind irgendwann davonträgt. Oder dass eben doch jemand kommt, der mich in den Arm nimmt und auf dem ich mich stützen kann. Aber dieser jemand ist nicht frei wählbar. Er kann nicht einer von den üblichen, vorbeihastenden Passanten sein. Es gibt nur einen, der seine Rolle erfüllen und mir helfen könnte. 
Da ich weiß, dass dieser Mensch nicht kommen wird, weil er mich hier eben erst abgesetzt hat, bleibe ich weiter einfach reglos sitzen. Verweile an einem Ort zu einer Zeit-obgleich beides eigentlich nicht existiert.
Ob ich keine Angst habe, dass mein Leben davon fährt, fragen manche. Ich müsste doch einfach nur schnell aufstehen, das wäre doch ganz einfach. Das Leichteste im Leben, pflichten sie bei. Mein Kopf nickt langsam, aber verstanden hat er es nicht. So wie er nichts mehr begreift. Weil er genauso wenig zu mir gehört, wie mein Leben. Aber den kann ich noch weniger abgeben. Dementsprechend warte ich weiter, warte, dass irgendwas ohne mein Zutun passiert. Dass das Leben wieder besser wird, wieder so ansehnlich, dass ich mich zumindest ungezwungen dazusetzen und mitfahren kann. Aber es wird nicht schöner, es fängt nicht an mich in kunterbunten Farben anzustrahlen, es stiert mich viel eher trist und grau an. Immer noch leer und kalt. Eigentlich müsste es mich fürchterlich frösteln bei diesem Anblick. Aber ich habe mein Gespür verloren, und so bleibe ich leblos. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Und während ich warte und Verzweiflung und Angst miteinander ringen, mir dabei sowieso den Weg zum Zug versperren, frage ich mich, was das alles noch soll. Wieso soll ich denn einfach so weiterreisen? Welchen Sinn hat diese Fahrt noch, wenn keiner weiß, was nach dem "Weitermachen" oder wahlweise "Nur Überleben" noch kommt? Hat alles seinen Grund?
Manche wollen mir immer weiter Mut machen, vermuten tiefere Belange hinter all dem. Eine höhere Macht, die gesehen hat, dass ich das auch alleine könne. Aber ich frage mich, ob mich diese höhere Gestalt wirklich kennt...denn dann wüsste sie, dass diese Liebe für mich existentiell notwendig war. Dass diese Liebe mein Ziel war. 
Und weil all diese Menschen auch immer noch an die Ewigkeit glauben, an Dinge die nie aufhören zu sein, fange ich tatsächlich ein bisschen zu lächeln an. Wie naiv sie doch sind. So naiv, dass sie glauben können. Aber ich kann das nicht. Nicht, nachdem ich alles verloren habe. 

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