Discovered.
Entgeistert starrt meine Mutter auf meinen Arm, genau auf die Stelle, an der kurz zuvor die drei kleinen, relativ frischen 'Kratzer' entblößt worden waren. "Hast du dich etwa geritzt?!", rutscht es aus ihr heraus, wobei ihre Stimme drei Oktaven höher springt. Ich versuche den Kopf zu schütteln, zu verneinen, was eigentlich offenbart ist. " Ich hab es doch gesehen, die drei Kratzer! Du hast dich geritzt!", ihr Ton wird vorwurfsvoller, drängender, als würde sie denken, damit eine erklärende Antwort erzielen zu können. Doch ich schaue sie nur an, weiß nicht, ob ich belustig, ernst oder aufgebracht sein soll. " Mama, nein, ich bitte dich, ich würde mich nie, nie...", beginne ich, doch beim letzten Wort stocke ich. Ritzen, wie klingt das denn? Kindlich, Aufmerksamkeit suchend, widerlich. Schneiden, es heißt Schneiden! Bevor ich meinen Satz weiterführen kann, unterbricht sie mich gereizt: " Zeig es mir doch noch mal, wenn du dich nicht geritzt hast! Ich will es sehen, ich meine- da waren drei Kratzer, ich weiß was du getan hast!" Stumm senke ich meine Augen, ziehe meinen Arm etwas näher an meinen Körper in der Hoffnung, sie würde nicht weiterbohren und stattdessen alles vergessen, darüber hinwegsehen, so wie sie es immer tat, als ich vor ihren Augen weinte. Mein Kopf versucht eine vernünftige Antwort bereit zu legen, doch wieder kommt mir meine Mutter zuvor. " Wieso? Wieso hast du das gemacht? Du hast doch selbst immer behauptet, wie dumm so ein Verhalten wäre!", presst sie hervor, zwischen wütend und entsetzt schwankend. "Hab ich das da deiner Freundin zu verdanken, ja?"
Musternd beobachtet sie mich, die Intensität ihres Blickes durchdringt mich, scheint beinah auf meiner Haut zu brennen. "Nein, hast du nicht. Die...die hat nichts damit zu tun, wirklich.", antworte ich leise, immer noch den Augenkontakt meidend, fast schon schuldbewusst fühlend. " Wieso?", wiederholt meine Mutter nahezu flehend. "Ach Mama, ich will nicht darüber sprechen.", ist alles, was ich noch hervor bringe.
Einen Moment verstummt sie, setzt aber dann wieder an:" Soll ich dich zum Arzt schicken, willst du dahin? Du hast doch eigentlich keinen richtigen Grund, so etwas zu tun!"
Bei diesem Argument muss ich schmunzeln. Nein, ich habe ja nie einen Grund dazu, ich bin ja normal. Mir geht es gut, ich habe mich nur dumm verhalten - haha. Mama, wie naiv und blind bist du eigentlich...
"Du verstehst das doch sowieso alles nicht. Aber du hast Recht, wahrscheinlich habe ich wirklich grundlos gehandelt, ist ja nichts.", sage ich Einsicht vortäuschend. Nochmals lässt sie ihren prüfenden Blick über mich schweifen, dann fängt sie wieder von ihrer Übersäuerungstheorie an zu schwafeln.
" Weißt du... Wenn die Basen im Ungleichgewicht sind..."- Den Rest blende ich aus, lasse meine Gedanken kreisen. Unverständnis, wohin ich mich auch wende. Egal wie sehr ich aus der erlogenen, heilen Welt auszubrechen versuche, leben doch andere Menschen zu gern in ihr, als dass sie sich der Wahrheit annehmen würden, als dass sie einmal mit offenen Augen die Realität sehen wollen würden.
Oh :/
AntwortenLöschenAber wow, du kannst wahnsinnig gut schreiben!
ich finde nicht, dass deine mama das recht hat, zu urteilen, ob du dich schneiden "darfst" oder nicht. klar, sie ist deine mama und sie macht sich sorgen und ich denke, das ist auch schrecklich für sie. aber der text, der übrigens wunderbar geschrieben ist wie immer, ärgert mich ein wenig. wegen der reaktion deine mama.
AntwortenLöschenich kenne das, ich rede mit meinen eltern auch nicht darüber. aber auch wenn es schwer ist, ich denke wenn du nun das verhältnis zu ihnen verlierst, wirst du es auch nicht wieder bekommen. sie sind deine eltern, sie lieben dich. letztendlich musst du wissen, was du tust aber ich denke wenn du dich wenigstens einem menschen anvertraust, sei es freundin, mama oder sonst wer, der dich aber wirklich kennt, niemand wie ich, jemand, der dich auch mal in den arm nehmen kann und dir sagen kann, dass er für dich da ist, ich denke mir, dass es dann vielleicht leichter werden würde. wenn du jemanden hast, der das ernst nimmt und dich auch unterstützt. dafür musst du aber ehrlich sein, und zwar bis zum letzten. dann darfst du keine falsche einsicht zeigen, dann musst du diesem menschen alles sagen, ihn nicht belügen.
ich weiß nicht ob du das kannst und möchtest, ich werde dir hier anbieten, dass ich mir deine texte immer durchlese und dir rat gebe. was heißt anbieten, ich zwänge mich einfach auf, höhö. ne, jetzt mal im ernst. wenn was ist, ich bin die letzte die dich weg stößt, aber such dir wen, dem du zu hundert prozent vertrauen möchtest.
du bist ein starker mensch, es ist schrecklich wenn man die stärksten aufgeben sieht. du bist ein vorbild, ein vorbild für mich und sicher auch noch viele andere. mach dich nicht selbst so kaputt, reiß dich da irgendwie raus.
egal was es kostet, ich zahle es solange es dir dann wieder restlos gut geht!
Oh Engel, ich wundere mich immer wieder darüber, dass so vieles gleich ist was wir erleben..
AntwortenLöschendas ich mehr in meine fähigkeiten vertrauen muss habe ich schon mal gehört!:)
AntwortenLöschenjedenfalls nochmal großes danke!♥
hammer blog, du kannst gut schreiben
AntwortenLöschen<3
auch wenn deine mama dich darin bestärkt, auch wenn du nun denkst, dass du mit niemandem sprechen kannst, so versuche es doch. wenn du niemanden hast, mit dem du persönlich reden kannst (ich könnte ihn schlagen, was ist "keine zeit" denn bitte für ein grund, argh), dann suche dir wenigstens hier einen, einen internetmenschen, dem du blind vertraust und der mal nur für dich da ist.
AntwortenLöschenes ist nicht fair, dass menschen so einsam sind, das ist echt nicht fair. vor allem menschen, denen es nicht gut geht, menschen, die einfach mal eine umarmung brauchen.
ich würde mich freuen, wenn wir kontakt halten, du bist ein bezaubernder mensch, du hast etwas, was den meisten menschen fehlt. du hast das glitzern, das funkeln was ich an so vielen menschen vermisse. verlier das funkeln nicht, es macht dich so einzigartig.
zum schweigen, es ist ein ignorantes schweigen. ein kaltes schweigen, ein schweigen, bei dem man den kopf senkt und sich weg wünscht. ein schweigen, was mehr verletzt als worte, ein schweigen, welches dich langsam kaputt macht.